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Vor 150 Jahren setzte eine Entwicklung ein, an deren Ende die Gründung des Internationalen Roten Kreuzes stand. Den Impuls lieferte Henry Dunants Essay "Un souvenir de Solférino" (1862), der Tod und Verwundung auf dem Schlachtfeld schildert. Das Buch des Handlungseisenden, der behauptete, im Frühsommer 1859 als einfacher Tourist in der Lombardei gewesen zu sein, gilt zugleich als Wendepunkt in der Berichterstattung über den Krieg. Mit ähnlicher Akribie, mit der sie zuvor ihren Lesern Schlachtverläufe und Strategien erklärt hatten, protokollierten Publizisten fortan die Leiden der Verletzten. Humaner wurde der Krieg nicht durch Henry Dunants humanitäre Initiative. Aber Philanthropen und konfessionelle Organisationen stellten sich nun in den Dienst einer straff organisierten, patriotisch geprägten Humanität, und die zunehmende Verwissenschaftlichung strategischer Kriegsführung dehnte sich auf das Gebiet der Medizin aus. In elf Beiträgen befasst sich dieser Band mit der Entstehung der Humanität im Kriege in der Gründungs und Etablierungsphase des Roten Kreuzes. Die Autoren nehmen die ambitionierten Bestrebungen in den Blick, eine staatenübergreifende Organisation zur Linderung Leids der kämpfenden und kriegsgefangenen Soldaten zu schaffen. Im Zuge dessen wurde der Begriff Neutralität neu geprägt. Und es wurde festgelegt, welchen militärischen Konflikten zivilisatorischen Regeln zugestanden wurden und welchen nicht. Ein weiterer Focus gilt den vaterländischen Frauenvereinen. Sie dienten kolonialer Expansion und beförderten zugleich das Eindringen militärischer Strukturen ins Private. Der Blick auf konfessionelle Einrichtung der Kriegspflege zeigt aber auch, dass Geschlechterrollen auf diesem Feld neu ausgehandelt wurden. Der dritte Teil des Bandes befasst sich mit der Kriegsberichterstattung in Wort und Bild. In Zeitungsmeldungen traten nach Solferino Hintergrundanalysen zunehmend hinter authentische Augenzeugenberichte zurück. Dabei erhöhte die telegraphische Übermittlung nicht nur die Geschwindigkeit der Berichterstattung, sie sorgte in bisher unbekanntem Maß auch für eine Egalität der Nachrichten. Zeitungen wurden um 1860 zu Schauplätzen und Anthologien widerstreitender Meinungen und Informationen. Die Erschütterung der Öffentlichkeit ist nun nicht mehr an die eigene Position in einem politischen Konflikt gebunden. Russische Ölgemälde weit entfernter Schlachten erschütterten in den 1880er Jahren Ausstellungsbesucher in Westeuropa und in den USA. Mit Sieg oder Niederlage brachten die Betrachter die dargestellten Szenen kaum mehr in Verbindung. Thema der Ausstellungen war nicht der dargestellte kriegerische Konflikt, stattdessen standen nun Emotionen im Vordergrund. Den Abschluss des Bandes bildet der Blick auf eine Öffentlichkeit in Gefangenschaft: Patientinnen und Patienten psychiatrischer Anstalten der Kaiserzeit und ihre künstlerische Auseinandersetzung mit militärischen Insignien und Codices.